Auf den erhabenen Wogen des Klangmeeres

Das JazzHaus Orchestra Hamburg trat im Moments auf

Das kann einen jungen Jazzkomponisten tatsächlich zur Verzweiflung bringen: Es gibt nicht einmal in den Metropolen Orchester, die ihre Arrangements einstudieren wollen. Der Blick auf den zu verdienenden Lebensunterhalt zwingt die großen Formationen zu Programmen, die aus allerlei Klassikern bestehen. Um diesen Mangel zu beseitigen gründeten einige Komponisten und Musiker ihr eigenes Orchester: Das JazzHaus Orchestra Hamburg.
Mit diesem Gastspiel verabschiedete sich die Blue Moon Bar Reihe am Mittwoch auf fulminante Weise aus dem Moments. Der schicke Konzertsaal bot eine ideale Akustik für die mit 18 Personen angereiste Formation um den musikalischen Leiter Jan-Peter Klöpfel.
Ihr musikalisches Konzept orientiert sich weniger an den wilden, schweißtreibenden Bigbands der Swing-Ära, sondern präsentiert eher eine formal strenge Erhabenheit. Die dreizehn Bläser (fünf Saxophone, fünf Posaunen und drei Trompeten) schaffen in Verbindung mit Klavier, Gitarre, Schlagzeug und Kontrabass sehr dynamische meditativ-psychedelische Klanglandschaften aus denen heraus sich Soloimprovisationen entfalten. Faszinierend ist dabei, dass die Songs bei aller Komplexität melodiös und nachvollziehbar sind. Verwegene Takt- und Tempowechsel sowie vertrackte Breaks würzen die Stücke, als würde man auf einem Klangmeer tanzen. Besonders fällt dies bei den Gesangsnummern auf: Ulita Knaus, die bereits Mitte April im Sendesaal überzeugte, wanderte leichtfüßig durch kunstvolle Melodien, während das Orchesterklangbild durch allerlei Schattierungen wechselte.
Die dargebotene Klangvielfalt ließ eine Reihe von Assoziationen zu. Neben den großen Meistern schimmerte plötzlich ein Hauch Frank Zappa; und war dort nicht eben eine Floskel aus einem Ska-Bläsersatz zu erkennen, die dann als Kanon durch die Lagen wandert?
Da bleibt nur noch zu hoffen, dass ihre zweite CD „Cosmopolitans“ nicht die letzte des JazzHaus Orchestras sein wird.
Anders Becker, Weser Kurier

Der Jazz atmet auf

Wer sich mit Vertrautem umgibt, bleibt auf der sicheren Seite. Eine Maxime, um die sich das JazzHaus Orchestra keinen Deut scherte. Unter der Leitung von Jan-Peter Klöpfel begaben sich die 18 Hamburger auf moderne Pfade und stellten die musikalische Toleranz des Publikums das ein ums andere mal auf die Probe. Versatzstücke das Free-Jazz gesellten sich zu klassischen Arrangements, Funk zum Swing, und immer wieder wurden Harmonien systematisch von atonalen Passagen aufgemischt. Das Ergebnis: ein mutiges, hörenswertes Orchester. Mehr noch als ihre modernen Arrangements überzeugt die thematische Konzeption des Ensembles. Die Stücke des Abends stammen ausschließlich aus der Feder der Orchestermitglieder. Entspannt und ungezwungen wirkte das Orchester, zu Recht überzeugt von seinen Kompositionen und dem Wissen, dass man bei Eigenkompositionen kaum verlieren kann. Und was könnte man sensibler arrangieren, als die eigenen musikalischen Gadanken.
Manuel Weber, Kieler Nachrichten

Seid doch mal still, die Nachtigall singt.

Die blonde Nachtigall singt einen orientalischen Blues. Die Trompeten und die Posaunen, die ihr eben noch ein feierliches Entree geblasen haben, schweigen still. Auch die fünf Saxofone des JazzHaus Orchestras geben Ruhe. Nur das Klavier, das Vibraphon, die Gitarre und der Bass spielen zart und pulsierend, alle denselben Ton. Darüber lässt die blonde Nachtigall ihre Melismen aufsteigen, Melodien, die ihr wohl in diesem Moment erst einfallen. (...)
Beinnahe 20 gut beschäftigte Berufsmusiker unter einen Hut zu bekommen, den man hinterher allenfalls rumgehen lassen kann, damit wenigstens die Unkosten gedeckt sind: Das ist die ökonomische Realität des Orchesters. Doch Jazzmusiker leben nicht vom Brot allein. Die Aussicht, in diesem Kreis einmal eine eigene Komposition, ein eigenes Arrangement auszuprobieren, ist vielen Motivation genug. Fast alle suchen nach einem Sound jenseits des Bigband-Klischees: Während Klöpfel seine geringe Scheu vor schönen Melodien durch um so vertracktere Rhythmen kompensiert, legt der Bassposaunist Sebastian Hoffmann mit Nummern wie „This One is for Buddy Rich“ ganz akkuraten Swing vor. Mischa Schumann, der Pianist des Ensembles, fühlt sich von neuer Musik angezogen. Ungerade, trotzdem fließende Metren und so geschickt verfugte Perioden, dass das Ohr die Formteile nicht sofort unterscheiden kann, sind die Spezialität des Altsaxophonisten Jonas Schoen.
Tom R. Schulz, Die Welt

Rein in die Musik

Bigband-Musiker leben in fortwährender Schizophrenie. Sie müssen präzis im Satz mitblasen, aber jederzeit brillante Soli abliefern können. Sie müssen Masse und Individuum sein, Schwarmtierchen und fabelhaft schillernder fliegender Fisch zugleich. Der neben der NDR-Bidband kompetenteste Verband der raren Spezies in Hamburg ist das JazzHaus Orchestra. Neuerdings versammelt sich das 19 Musiker zählende Ensemble alle paar Wochen auf der Bühne des Birdland und durchtaucht die von allerlei submarinen Tücken durchsetzten Klanglandschaften , die einige von ihnen zu entwerfen verstehen. Weil das Repertoire der Band fast nur aus Selbstkomponiertem besteht, kommt das Publikum oft in den Genuss von buchstäblich Unerhörtem. Die Komponisten der Band meiden Klischees. Jeder mischt die Klangfarben anders – aber alle mögen eigenwillige Harmoniewechsel und ausgeklügelte Rhythmen.
Tom R. Schulz, Die Welt

Elegisch mit Esprit

Was das Ensemble unter Klöpfels Leitung an ausschließlich Eigenkompositionen im Luna abliefert, versprüht bläserschmetterndes Esprit und weiß nicht minder elegische Zwischentöne herauszukitzeln. An- und Entspannung verbindet das Ensemble in weit ausholenden Entwicklungsbögen. Da wird nicht einfach los gebrettert, sondern die Strahlenwirkung vollen Blechs lässt stets eine dramaturgische Ursache erkennen. A Kind Of Friendship von Posaunist Sebastian Hoffmann ist so ein Stück, das der Revolution die ruhige Evolution vorzieht. In weichen Balladenton hebt es an, schreitet die drei Viertel das Walzers gemächlich ab – bis zum Fullstop vor dem Auftakt. Ein Überraschungsmoment, das zum Prinzip erhoben wird. Über dutzende Takte übersteigert man die Spannung, damit sie explosiv wird, was die Saxophonbatterie energisch besorgt. Der Bigband-Sound entfaltet sich wie eine prächtige Blüte.
Zum rechten Zeitpunkt zünden das können die Hamburger auch im düster grübelnden Elevators No Light (von Jan-Peter Klöpfel). Ein organischer Wechsel zwischen Pochen und Seufzen, zwischen genussvoll ausgebreiteten Akkordrückungen und bluesiger Symphonik.
Die Tanzmusik des nächsten Jahrtausends ist das nicht, Mischa Schumanns Urban aus der U-Bahn schon, jenes verzwickte Stück mit Fugato-Fallen, in die man so gerne tappt wie in die wohlige Muße des sportlich frischen Bläserglanzes, den das JazzHaus Orchestra zum Abschluss präsentiert und auch damit zum Musterhaus im Neubaugebiet Bigband-Jazz avanciert.
Jörg Meyer, Kieler Nachrichten

Beinnahe unbemerkt vom offiziellen Jazz & Kulturbetrieb hat sich in den letzen Jahren das JazzHaus Orchestra zu einer richtigen Institution entwickelt. Das Herausragende an dieser Band ist, dass sie nur Stücke von jungen Komponisten im Programm hat. Daraus hat sich eine völlig eigenständige Band mit mit einem unverwechselbaren Klangprofil entwickelt, die sich ganz sicher hinter keiner anderen deutschen Bigband verstecken müsste.
Dirk Meissner, Jazz Zeitung

Transparent, prägnant, klar, differenziert und druckvoll zugleich sind die Arrangements, variabel die Ausdrucksweise, auf den Punkt präsent die Soli von Tilman Ehrhorn, ts, Mischa Schumann, p, Hendrik Meyer, g, Wolf Kerschek, vib, Jonas Schoen, ss, Markus Steinhauser, ts, Bernd Reincke, bcl, und Claas Ueberschär, tp, bestechend präzise auch auch die Stimme von Ulita Knaus.
Tobias Böcker, Jazzpodium

Mit Spielfreude und beachtlichem Fundus an frischen Ideen meldet sich das JazzHaus Orchestra Hamburg.
Hans-Dieter Grünefeld, Jazzthetik